Öko- und Chemotypen der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana: Die Evolution der Insektenresistenz

Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Autoren
Mitchell-Olds, Thomas; Kroymann, Jürgen; Clauss, Maria; Vogel, Heiko
Abteilungen
Genetik und Evolution (Dr. Jürgen Kroymann)
MPI für chemische Ökologie, Jena
Zusammenfassung
Forschergruppen am MPI für chemische Ökologie versuchen, die evolutionären Kräfte, welche die genetische Variation bedeutsamer Merkmale innerhalb und zwischen den Arten beeinflussen, aufzuspüren und zu verstehen. Anknüpfend an frühere Untersuchungen zur funktionalen Genomik der Modellpflanze Arabidopsis thaliana stehen nun wilde, mehrjährige Arabidopsis- und Boechera-Arten an natürlichen Standorten in Europa und Nordamerika im Mittelpunkt der Forschung.

Historisch-demographischer Kontext

Rückschlüsse auf natürliche Selektion ökologisch bedeutsamer Gene erfordern die Betrachtung genetischer Variabilität vor ihrem „demografischen“ Hintergrund: Wer lebt oder lebte wo und mit wem und unter welchen Bedingungen? Die Wissenschaftler am Jenaer MPI haben sich der Übersichtlichkeit halber auf Pflanzen der Familie Brassicaceae (Kreuzblütler) beschränkt und untersuchen molekulare Veränderungen in den Genomen verschiedener Arabidopsis- und Boechera-Arten.

Arabidopsis lyrata spp. petraea ist eine mehrjährige, sich auskreuzende Art, die in Mitteldeutschland und anderen Orten in Europa vorgefunden wird. Eine der A. lyrata-„Muster“-Populationen in Plech, Deutschland, zeigte eine auffallend große genetische Variation [1]. DNA-Sequenzvergleiche einzelner Genorte deuteten auf sehr alte und hochvariable Polymorphismen hin [2].

Bei Boechera drummondii, B. holboellii und ihrem Hybrid B. divaricarpa handelt es sich um weit verbreitete, als Stauden wachsende Arten in Nordamerika. Die Untersuchung molekularer Polymorphismen in nicht-kodierenden Abschnitten des Chloroplasten- und des Kern-Genoms [3; 4]zeigte erstens, dass sich Hybridbildungen zwischen den Arten wiederholt ereignet haben, und zweitens, dass asexuelle Vermehrung durch Samen (Apomixis) in B. holboellii und B. divaricarpa weit verbreitet ist.

Die Strukturierung genetischer Diversität in Nordamerika ist von pleistozänen Migrationen stark beeinflusst worden. Die größte genetische Variation wurde in den Rocky Mountains (USA) gefunden, und die Region zwischen Montana, Utah und Colorado scheint das Zentrum dieser Artenvielfalt gewesen zu sein. Die ökologisch-genetischen Experimente konzentrierten sich auf B. drummondii in den Rocky Mountains: Die Wissenschaftler analysierten 20 Mikrosatelliten-Loci in Pflanzen aus zehn verschiedenen Populationen und fanden, dass B. drummondii überwiegend selbstbefruchtend ist. Einzelne B. drummondii-Populationen verfügten über einen beträchtlichen Grad an genetischer Variation. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die populationsgenetischen Zusammenstellungen in B. drummondii and B. stricta unterschiedliche „demografische“ Hintergründe reflektieren und somit als verschiedene Modelle für die Untersuchung funktionell wichtiger Eigenschaften fungieren können.

In den folgenden Kapiteln soll an ausgewählten Beispielen gezeigt werden, wie sich die Triebfedern der Evolution auf einzelne, ökologisch wichtige Gene ausgewirkt und so eine optimale Anpassung der Arten an ihren Lebensraum ermöglicht haben. Im Vordergrund stehen dabei Gene, die direkt oder indirekt an der Interaktion zwischen Pflanzen und Insekten beteiligt sind.

Genetische Variation am Beispiel von Proteinase-Inhibitoren

Proteinase-Inhibitoren dienen der Pflanze als Abwehrstoffe gegen Insektenfraß. Die Gene, die Proteinase-Inhibitoren kodieren, sind in mehreren Kopien im Pflanzengenom vorhanden und werden als „Gen-Familien“ bezeichnet. Duplizierte und multiplizierte Gene spielen in der pflanzlichen Verteidigung eine wichtige Rolle. In A. thaliana und A. lyrata spp. petraea untersuchten die Jenaer Wissenschaftler zwei Loci aus der Trypsin-Inhibitor-Genfamilie (ATTI) [2]. Die Analysen deuteten auf positive Selektion für ATTI2 in A. thaliana hin; eine einzelne Population von A. petraea in Deutschland zeigte eine 10fach erhöhte genetische Variation auf den ATTI-Loci verglichen mit einer artenweiten Probe von A. thaliana.

Darüber hinaus untersuchte die Arbeitsgruppe um Mitchell-Olds genetisch-funktionale Polymorphismen für die gesamte ATTI-Genfamilie in A. thaliana. Hierbei konnte eine ausgeprägte genetische Variation einer konstitutiven und Insekten-induzierten Transkription zwischen den Gen-Loci sowie eine signifikante Variation in der ATTI-Genexpression zwischen zwei „Gensequenzvarianten“ (genauer: Haplotyp-Klassen) nachgewiesen werden [5]. Diese funktionellen Unterschiede in Kombination mit der populationsgenetischen Analyse der Polymorphismen zwischen Ökotypen legen nahe, dass zwar die ATTI-Gene unterschiedlich evolvieren, die Reaktion auf die Selektion in A. thaliana auf Grund der rekombinatorischen Interferenz zwischen funktional divergenten ATTI-Loci aber verlangsamt ist.

Funktionale Genetik und ökologische Betrachtung pflanzlicher Abwehr

Evolutionäre Wechselwirkungen zwischen herbivoren Insekten und der chemischen Abwehr der Pflanzen stehen in engem Zusammenhang mit der Fitness, das heißt dem Überleben und der Reproduktion der jeweiligen Pflanzenart. Die Fitness hängt maßgeblich von den Angriffen der vielen verschiedenen Insektenarten ab, die eine Pflanze im Laufe ihres Lebens bedrohen. Diese vielfältigen Wechselspiele zwischen Pflanzen und Insekten verkomplizieren aber die Kosten-Nutzen-Analyse von Abwehrstrategien – vor allem wenn man bedenkt, dass weitere biotische (z. B. mikrobielle Pathogene) und abiotische Faktoren (Temperatur, Licht, Trockenheit) auf die Pflanze einwirken.

Exemplarisch untersuchten die Forscher die Rolle eines typischen chemischen Abwehrsystems von Kreuzblütlern, das auf Glucosinolaten beruht [5], [6], [12]. In zwei durch Inzucht erzeugten A. thaliana-Populationen entdeckten sie spezielle Genorte (so genannte quantitative trait loci, QTLs), die die Biosynthese der Glucosinolate und die zum Abwehrsystem dazugehörige Enzymaktivität (Myrosinase) sowie die Resistenzmechanismen gegen Wirtsspezialisten (Plutella xylostella) und -generalisten (Trichoplusia ni) kontrollieren [6]. Letztere Insektenart (T. ni) befällt – daher die Bezeichnung Generalist – nicht nur Kreuzblütler, sondern viele andere Pflanzenarten. Die Wissenschaftler identifizierten eine Reihe von QTLs, die für P. xylostella oder T. ni spezifisch sind, sowie einen einzelnen QT-Locus, der die Resistenz beider Insektenarten kontrolliert. Der Vergleich der QTLs für Herbivorie, Glucosinolatbildung und Myrosinaseaktivität zeigte, dass die Pflanzen dem durch T. ni hervorgerufenen Insektenfraß durch höhere Glucosinolatgehalte, höhere Myrosinase-Aktivität und spezifische chemische Strukturumbildungen der Glucosinolat-Moleküle zu begegnen versuchen. Im Gegensatz dazu korreliert die durch P. xylostella verursachte Herbivorie nicht mit genetisch bedingten Variationen im auf Glucosinolate basierenden Abwehrsystem. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit theoretischen Überlegungen, dass spezialisierte Insektenarten die chemische Abwehr ihrer Wirtspflanzen überwinden können, während Generalisten für dieselbe chemische Abwehr sensibel bleiben.

Einen besonders interessanten QT-Locus stellt GSElong dar, der eine kleine Familie von Methylthioalkylmalat-Synthase-Genen (MAM) beherbergt, die die Länge der Seitenkette von aliphatischen Glucosinolat-Molekülen bestimmen. GSElong beeinflusst die pflanzliche Resistenz gegenüber Generalisten, stellt also einen Insektenresistenz-QTL dar. DNA-Vergleiche zeigten eine extrem hohe Variabilität dieses Genortes zwischen verschiedenen Ökotypen von A. thaliana: mehrfach wurden Gene dupliziert oder deletiert; ebenso fand ein Austausch genetischer Information zwischen den hintereinander liegenden Genkopien statt [7]. Darüber hinaus deuteten statistische Analysen darauf hin, dass eines der Gene „balancierender“ Selektion unterworfen ist. Dies könnte durch einen ökologischen „Kompromiss“ verursacht worden sein, bei dem Vorteile in der Abwehr von Generalisten mit Nachteilen gegenüber Spezialisten erkauft werden.

Glucosinolatgehalte und Glucosinolatstrukturen: (genetische) Variationen zum Thema Evolution

Ausgehend von den Ergebnissen am Modellsystem wurden die Untersuchungen der Glucosinolate auf natürlich vorkommende Populationen von A. lyrata ssp. petraea und Boechera spec. ausgeweitet. Diese Untersuchungen sind notwendig, um die ökologische Bedeutung dieses Abwehrsystems in der Natur besser zu verstehen.

Es zeigte sich, dass die Glucosinolate auch innerhalb der „wilden“ Verwandten erblich variierten. Darüber hinaus zeigte sich erbliche Variation für ein weiteres Abwehrmerkmal, die Blatthaardichte. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass der GSElong die auf Glucosinolaten beruhende „Abwehr“ nicht nur in A. thaliana, sondern auch in A. lyrata kontrolliert. Durch Messung der Wachstumsraten von zwei Insekten-Wirtsspezialisten und einem Insekten-Wirtsgeneralisten stellte sich heraus, dass die Resistenzen gegen P. xylostella (Wirtsspezialist) und T. ni (Wirtsgeneralist) erblich sind: Variationen der Resistenz gegen T. ni zeigten eine signifikant positive Korrelation mit den Glucosinolatgehalten, wie dies für Wirtsgeneralisten zu erwarten war. Im Gegensatz dazu war die Korrelation zwischen unterschiedlichen Glucosinolatgehalten und der Resistenz gegen P. xylostella (dem Wirtsspezialisten) nicht signifikant. Hingegen zeigte die Blatthaardichte eine signifikant positive genetische Korrelation mit der Resistenz gegen P. xylostella. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich für B. drummondii und B. holbollii, von denen verschiedene Populationen in den nördlichen Rocky Mountains untersucht wurden. Dies illustriert, dass an natürlichen Standorten die Pflanzenabwehr gegen Herbivoren auf dem Zusammenwirken einer ganzen Batterie von Abwehrmechanismen beruht.

Ökologischer Kontext oder: Biotischer und abiotischer Stress

Pflanzen-Insekten-Interaktionen werden durch lokale biotische und abiotische Faktoren beeinflusst. Abwehrmechanismen gegen Herbivoren überlagern sich daher zum Beispiel mit der pflanzlichen Reaktion auf Dürreperioden. Daher untersuchten die Jenaer die genetische Variabilität in der Effizienz der Wasserausnutzung (water use efficiency, WUE) und im Zeitraum des vegetativen Wachstums der Pflanze bis zur Blüte [8]. Die Wissenschaftler fanden in der Tat eine positive genetische Korrelation zwischen Wasserverfügbarkeit and Blütezeit. Daraufhin betrachteten sie die Beteiligung von Pleiotropie, indem sie eine Kombination von mutanten, nahezu isogenen Linien benutzten, um eine positive, mutationsbedingte Covarianz zwischen WUE und Blütezeit zu testen.

Bestimmte, „ökophysiologische“ Mutanten beeinflussten die Effizienz des Wasserverbrauchs, aber nicht den Blühzeitpunkt. Jedoch zeigten „Blühzeitpunkt“-Mutanten pleiotrope Effekte, die mit natürlichen Kovariationsmustern konsistent sind. Mutationen, die eine spätere Blüte verursachten, führten zu einer höheren Effizienz im Wasserverbrauch. Die Arbeitsgruppe fand weiterhin eine starke Evidenz für Pleiotropie, indem sie nahezu isogene Linien von FRIGIDA und FLOWERING LOCUS C (zwei für die natürliche Variation des Blühzeitpunkts bekannte Loci) untersuchte. Diese Experimente zeigten, dass die miteinander korrelierende Evolution von WUE und Blühzeitpunkt teilweise durch die Fixierung von Allelen erklärt werden kann, die sowohl WUE als auch den Blühzeitpunkt beeinflussen.

Die Wissenschaftler haben nunmehr Forschungsstandorte im Freiland festgelegt und deren natürliche Umgebung charakterisiert, um die ökologischen Parameter mit den von ihnen gemessenen genetischen Variationen der Untersuchungsspezies (welche in alten, weitgehend ungestörten Populationen wachsen) in Zusammenhang bringen zu können. In der Vegetationszeit werden in vierzehntägigem Rhythmus Daten zur Blüten- und Fruchtbildung, zur Herbivorie und anderen ökologischen Indikatoren in einer A. petraea-Population nahe Jena aufgenommen. In ähnlicher Weise werden monatlich Herbivorenbefall und Insektenfauna bei 16 Boechera-Populationen gemessen, welche in den nördlichen Rocky Mountains an Orten mit unterschiedlichem Klima innerhalb eines Areals von ca. 40,000 km2 wachsen. Intensive Probennahme aus der Insektenfauna an den Freiland-Standorten liefert so beständig Informationen über die (temporär fluktuierende!) Zusammensetzung der einheimischen Herbivoren- und Insektenarten.

Ökologischer Kontext oder: Der biotische und abiotische Stress der Pflanzen

Pflanzen-Insekten-Interaktionen werden durch lokale biotische und abiotische Umgebungen beeinflusst. Abwehrmechanismen gegen Herbivoren überlagern sich daher zum Beispiel auch mit Reaktionen der Pflanze auf Dürreperioden. Daher untersuchten die Jenaer die Muster genetischer Varianz in der Effizienz des Wasserverbrauchs (water use efficiency, WUE) und dem Zeitraum des vegetativen Wachstums der Pflanze bis zur Blüte – wobei vorausgesetzt wird, dass der Blühzeitpunkt von der lokalen Verfügbarkeit des Wassers abhängt [9]. Die Wissenschaftler fanden in der Tat eine positive genetische Korrelation zwischen Wasserverfügbarkeit and Blütezeit. Daraufhin betrachteten sie die Beteiligung von Pleiotropie, indem sie eine Kombination von mutanten, nahezu isogenen Linien benutzten, um eine positive, mutationsbedingte Covarianz zwischen WUE und Blütezeit zu testen.

Bestimmte, „ökophysiologische“ Mutanten beeinflussten die Effizienz des Wasserverbrauchs, aber nicht den Blühzeitpunkt. Jedoch zeigten „Blühzeitpunkt“-Mutanten pleiotrope Effekte, die mit natürlichen Kovariationsmustern konsistent sind. Mutationen, die eine spätere Blüte verursachten, führten zu einer höheren Effizienz im Wasserverbrauch. Die Arbeitsgruppe fand weiterhin eine starke Evidenz für Pleiotropie, indem sie nahezu isogene Linien von FRIGIDA und FLOWERING LOCUS C, zwei für die natürliche Variation des Blühzeitpunkts bekannte Loci, untersuchte. Diese Experimente zeigten, dass die miteinander korrelierende Evolution von WUE und Blühzeitpunkt teilweise durch die Fixierung von Allelen erklärt werden kann, die sowohl WUE als auch den Blühzeitpunkt beeinflussen.

Viele mit A. thaliana verwandte Arten wachsen in alten, weitgehend ungestörten natürlichen Populationen. Die Wissenschaftler haben nunmehr Forschungsstandorte im Freiland festgelegt und deren natürliche Umgebung charakterisiert, um die ökologischen Parameter mit den von ihnen gemessenen genetischen Variationen der Untersuchungsspezies in Zusammenhang bringen zu können. Sie erheben beispielsweise in der Vegetationszeit alle zwei Wochen Daten zur Blüten- und Fruchtbildung, zu Herbivorie und anderen ökologischen Indikatoren in ihrer A. petraea-Population nahe Jena. In ähnlicher Weise quantifizieren sie monatlich Herbivorenbefall und Insektenfauna bei 16 Boechera-Populationen in den nördlichen Rocky Mountains an Orten, die unterschiedliche Umweltbedingungen aufweisen und sich innerhalb eines Areals von insgesamt rund 40,000 km2 befinden. Intensive Probennahme aus der Insektenfauna an den Freiland-Standorten liefert so beständig Informationen über die (temporär fluktuierende!) Zusammensetzung der einheimischen Herbivoren- und Insektenarten.

Transcription Profiling der Herbivorie-induzierbaren Abwehr in Pflanzen

Um die Aktivität von Genen (Genexpression), die zur pflanzlichen Verteidigung gegen Fraßfeinde beitragen könnte, zu identifizieren, konstruierten die Jenaer Forscher eine subtraktive cDNA-Genbank aus B. drummondii. Subtraktiv hergestellte Genbanken erlauben die „Anreicherung“ bestimmter Gene (z. B. Herbivorie-induzierter Gene), die nachfolgend näher untersucht werden sollen. Der Trick dabei ist, dass zwei Genbanken hergestellt werden: eine aus Blättern, die von Insekten befallen waren, und die zweite aus nichtbefallenem Blattgewebe. Nach „Subtraktion“ beider Genbanken konnten mehr als 500 Kandidatengene identifiziert werden, deren Aktivität durch Insektenfraß beeinflusst zu sein schien. Die Transkriptionsmuster (mRNA-Gehalte) dieser Kandidatengene wurden anschließend mithilfe von Mikroarrays sowohl in B. drummondii als auch in A. thaliana nach unterschiedlicher Behandlung der Blätter analysiert. Unter den Genen, deren Aktivität am stärksten durch Insektenherbivorie induziert worden war, konnten einige Mitglieder großer Genfamilien (z. B. die bereits erwähnten Proteinase-Inhibitoren, aber auch Chitinasen, Lipid-Transfer-Proteine und Thionine) identifiziert werden. Diese Ergebnisse wurden durch umfangreiches und automatisiertes "Transciption Profiling" mit Hilfe von Arabidopsis-Affymetrix-DNA-Chips bestätigt. Sowohl die Gattung Arabidopsis als auch Boechera besitzen ein ganzes Arsenal an Herbivorie-induzierten Genen. Die Analyse aller Kandidatengene bezüglich ihrer Funktion in der pflanzlichen Resistenz gegenüber Fraßfeinden steht im Mittelpunkt der gegenwärtigen und zukünftigen Forschung.

Die andere Seite der Medaille - Anpassungsstrategien von Insekten an die chemische Abwehr von Pflanzen

Eine der zentralen Fragen der Co-Evolution von Pflanzen und deren Fraßfeinden ist, ob und vor allem wie genetische Veränderungen pflanzenfressender Insektenpopulationen sich dem Forscher darstellen. Was ist die genetische Grundlage einzelner Herbivorenspezies, sich an einige oder viele Pflanzenarten anzupassen und damit ihre Art zu erhalten? Um dies herauszufinden, sequenzierten die Wissenschaftler um Thomas Mitchell-Olds jeweils etwa 10,000 ESTs (expressed sequence tags) der pflanzenfressenden Insektenarten Plutella xylostella bzw. Pieris rapae. Mit Hilfe dieser ESTs konnte in P. xylostella ein Gen identifiziert und analysiert werden, dessen Genprodukt, eine Glucosinolat-Sulfatase, Glucosinolat-Moleküle buchstäblich entschwefelt [9]. Die so entstehenden Desulfo-Glucosinolate sind dann für das pflanzeneigene Enzym Myrosinase „unsichtbar“ und eine weitere Verstoffwechselung zu giftigen oder abschreckenden Substanzen findet nicht mehr statt. Dieses Glucosinolat-Detoxifizierungs-Gen ermöglicht es P. xylostella, die auf Glucosinolaten basierende pflanzliche Abwehr zu umgehen und sich somit auf Kreuzblütler (Brassicaceae) zu spezialisieren – ein Paradebeispiel chemisch-ökologischer Anpassung im Laufe der Evolution!

In enger Zusammenarbeit mit der Abteilung Biochemie im Institut konnte auch der Resistenzmechanismus von an Kohlarten angepassten P. rapae-Larven aufgeklärt werden. In diesem Insekt wird die Glucosinolat-Hydrolyse "umgeleitet", so dass es zur Bildung von (eher ungiftigen) Nitrilen statt giftiger Isothiocyanate kommt [10]. Diese Nitrilbildung ist auf ein Darmprotein der Larve zurückzuführen, das Nitrile Specifier Protein (NSP) genannt wurde.

In den beiden beschriebenen Anpassungsmechanismen, Sulfatase und NSP, genügt den Schädlingen jeweils ein einziges Protein, um ein sehr trickreiches pflanzliches Verteidigungssystem, das Glucosinolat-Myrosinase-System, zu unterlaufen. Die entsprechenden Glucosinolat-Detoxifizierungs-Gene repräsentieren sehr wahrscheinlich diejenige Schlüsselanpassung, die es P. xylostella bzw. Pieris rapae ermöglichte, sich auf Kreuzblütler (Brassicaceae) zu spezialisieren. Interessanterweise sind die der Resistenz zugrundeliegenden Mechanismen in beiden Insektenarten grundlegend verschieden. Dies ist aber schlussendlich nicht verwunderlich: Die Komplexität des pflanzlichen Glucosinolat-Myrosinase-Abwehrsystems bietet offensichtlich Insekten-Herbivoren viele verschiedene Angriffspunkte für eine Anpassung an diese ausgeklügelte chemische Abwehr der Kreuzblütler.

Originalveröffentlichungen

1.
Clauss, M. J., H. Cobban and T. Mitchell-Olds:
Cross-species microsatellite markers for elucidating differences in population genetic structure in Arabidopsis and Arabis (Brassicaeae)
Molecular Ecology 11, 591-601 (2002).
2.
Clauss, M. J. and T. Mitchell-Olds:
Population genetics of tandem trypsin inhibitor genes in Arabidopsis species with contrasting ecology and life history
Molecular Ecology 12, 1287-99 (2003).
3.
Dobes, C., T. Mitchell-Olds and M. Koch:
Extensive chloroplast haplotype variation indicates Pleistocene hybridization and radiation of North American Arabis drummondii, A. x divaricarpa, and A. holboellii (Brassicaceae)
Molecular Ecology 13, 349-70 (2004).
4.
Koch, M. A., C. Dobes and T. Mitchell-Olds:
Multiple hybrid formation in natural populations: Concerted evolution of the internal transcribed spacer of nuclear ribosomal DNA (ITS) in North American Arabis divaricarpa (Brassicaceae)
Molecular Biological Evolution 20, 338-350 (2003).
5.
Clauss, M. J. and T. Mitchell-Olds:
Functional divergence in tandemly duplicated Arabidopsis thaliana trypsin inhibitor genes
Genetics 166, 1419-1436 (2004).
6.
Kliebenstein, D., D. Pedersen, B. Barker and T. Mitchell-Olds:
Comparative analysis of quantitative trait loci controlling glucosinolates, myrosinase and insect resistance in Arabidopsis thaliana
Genetics 161, 325-332 (2002).
7.
Kroymann, J., S. Donnerhacke, D. Schnabelrauch and T. Mitchell-Olds:
Evolutionary dynamics of an Arabidopsis insect resistance quantitative trait locus
PNAS 100, 14587-14592 (2003).
8.
Mckay, J. K., J. H. Richards and T. Mitchell-Olds:
Genetics of drought adaptation in Arabidopsis thaliana: I. Pleiotropy contributes to genetic correlations among ecological traits
Molecular Ecology 12, 1137-1151 (2003).
9.
Ratzka, A., H. Vogel, D. J. Kliebenstein and T. Mitchell-Olds:
Disarming the mustard oil bomb
PNAS 99, 11223-11228 (2002).
10.
Wittstock, U., N. Agerbirk, E. J. Stauber, C. E. Olsen, M. Hippler, T. Mitchell-Olds, J. Gershenzon and H. Vogel:
Successful herbivore attack due to metabolic diversion of a plant chemical defense
PNAS 101, 4859-4864 (2004).
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