Optimierung der Schädlingsbekämpfung mithilfe eines neuen evolutionären Konfliktes

Forschungsbericht (importiert) 2017 - Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Autoren
Heckel, David G.
Abteilungen
Abteilung Entomologie
Zusammenfassung
ABC-Transporterproteine haben viele nützliche Funktionen in Insekten, wie z.B. die Bestimmung der Färbung des Raupenkörpers,der Augenfarbe von erwachsenen Insekten und vermutlich die Entgiftung pflanzlicher Abwehrstoffe. Aber ABC-Transporter sind auch anfällig für die Wirkung von Giftstoffen des Bakteriums Bacillus thuringiensis. Die Anwendung dieser Gifte in genetisch veränderten Kulturpflanzen schafft für Schadinsekten einen neuen evolutionären Konflikt zwischen Nutzen und Kosten von ABC-Transportern. Das gezielte Nutzen dieser Kenntnis kann bei der Bekämpfung von Schadinsekten helfen.

Für Insekten sind ABC-Transporter die Farbpinsel der Natur

ABC-Transporter sind eine sehr alte Proteinfamilie und in allen Lebewesen anzutreffen. Sie bewegen kleine Moleküle durch Membranen: entweder vom Cytoplasma über die äußere Membran zur Außenseite der Zelle, oder vom Cytoplasma zu inneren, von Membranen umgebenen Kompartimenten, wie etwa Vakuolen oder Granula. Der Name „ABC“ leitet sich von der Region der „ATP-bindenden Kassette“(englisch: ATP binding cassette, ABC) des Proteins ab, die dafür verantwortlich ist, das energiereiche ATP-Molekül zu binden und durch eine Reaktion mit Wasser zu spalten. Diese Energie wird benötigt, um kleine Moleküle durch die Membran zu treiben und durch die andere Hauptregion des Proteins weiterzuleiten, die die Membran von innen nach außen überspannt.

Obwohl Insekten etwa 50 Typen von ABC-Transportern haben, ist nur von wenigen die Funktion bekannt. Klassische genetische Studien an der Taufliege Drosophila identifizierten Mutanten mit verschiedenen Augenfarben. Es stellte sich später heraus, dass Änderungen der Augenfarbe auf Mutationen in den ABC-Proteinen white, scarlet und brown beruhten, die nach der Augenfarbe der jeweiligen Fliegenmutante (weiß, scharlachrot und braun) benannt wurden. Um ähnliche Gene in einem anderen Insekt, der Motte Helicoverpa armigera (Baumwoll-Kapseleule), abzuschalten, wurde die neue CRISPR/Cas9-Methode angewandt. Die Motte hat normalerweise grüne Augen. Die Inaktivierung des scarlet-Gens brachte gelbe Augen hervor, die Inaktivierung des ok-Gens (analog zu brown in Drosophila) schwarze Augen. Wurden beide Gene außer Kraft gesetzt, wurde das Auge weiß (Abb. 1).

Die Erwartung, dass die Inaktivierung des white-Gens ebenfalls ein weißes Auge produzieren würde wie in Drosophila, erfüllte sich nicht. Stattdessen tötete dieser Gen-Knockout die Embryos, sodass sich Larven und adulte Motten gar nicht entwickelten.

Die Ergebnisse lassen sich durch die Wirkungsweise der unterschiedlichen ABC-Transporter erklären, die die Pigment-Granulen im Auge mit unterschiedlichen chemischen Verbindungen füllen, die wiederum in die unterschiedlich gefärbten Pigmente umgewandelt werden. Die Pigment-Granulen verdichten die Farbe und halten die Farbpigmente vom Rest der Zelle fern. Die ABC-Transporter könnte man also mit Farbpinseln vergleichen, die selbst keine Farben herstellen, sie aber an bestimmten Orten in der Zelle auftragen [1].

ABC-Transporter werden von Bt-Toxinen angegriffen

Die Abteilung Entomologie hat die Baumwoll-Kapseleule für ihre Untersuchungen ausgewählt, weil das Insekt ein weitverbreiteter Landwirtschaftsschädling ist, der nur schwer kontrolliert werden kann. Er ist gegen die meisten Insektizide resistent geworden. Einige der neuesten Insektizide sind Protein-Gifte aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), die in gentechnisch veränderten Baumwoll- und Maispflanzen zum Einsatz kommen. Der Hauptnutzen transgener Bt-Pflanzen ist ein signifikanter Rückgang beim Einsatz von chemischen Insektiziden, die der Umwelt schaden. Anfangs konnten Bt-Toxine Kulturpflanzen gegen Schädlingsbefall sehr wirkungsvoll schützen. Allerdings wurden die Insekten in den letzten Jahren zunehmend resistent gegen Bt-Toxine. Es stellte sich heraus, dass Mutationen in den ABC-Transportern in vielen Fällen für diese Resistenz  verantwortlich gemacht werden können. Dieses Ergebnis war vollkommen unerwartet, denn trotz jahrelanger Forschung an Bt-Toxinen hatte es vorher keine Hinweise darauf gegeben, dass ABC-Transporter an einem Mechanismus beteiligt sind, mit dem Bt-Toxine Insektenzellen töten. Um diesen unerwarteten Befund zu erklären, mussten die Wissenschaftler der Abteilung Entomologie eine Hypothese entwickeln.

Diese Hypothese besagt, dass Bt-Toxine den Teil des ABC-Transporters angreifen, der die Zellmembran durchdringt, um die Membran zu durchlöchern und auf diese Weise die Zellen zu töten. Die Wissenschaftler zeigten, dass Zellen, die die genetische Information für die Bildung eines bestimmten ABC-Transporters enthalten, von Bt-Toxinen getötet werden können, während Zellen, die den Transporter nicht bilden können, verschont bleiben (Abb. 2, [2]). Doch nicht alle ABC-Transporter sind empfindlich gegenüber dem Angriff von Bt-Toxinen. Nur die Transporter im Darm des Insekts sind betroffen, nicht jedoch diejenigen, die an der Augenfärbung beteiligt sind.

Ein neuer evolutionärer Konflikt kann für die Verbesserung der Schädlingskontrolle genutzt werden

Wenn sie nicht für die Augenfarbe zuständig sind, was ist dann die Funktion der ABC-Transporter, die von Bt-Toxinen angegriffen werden? Diese Frage machte eine weitere Hypothese erforderlich, die auf den Untersuchungen zu Krebserkrankungen beim Menschen basiert. Die Funktion vieler ABC-Transporter gleicht eher einem Staubsauger als einem Farbpinsel: Sie entfernen schädliche Substanzen aus den Zellen. Einige Krebszellen schützen sich vor chemischen Substanzen einer Anti-Krebs-Therapie, indem sie ABC-Transporter nutzen, um die anticancerogenen Wirkstoffe wieder auszuscheiden. Daraus leiteten die Wissenschaftler die Hypothese ab, dass ABC-Transporter pflanzenfressende Insekten in ähnlicher Weise vor schädlichen Substanzen schützen, die Pflanzen bilden, um sich gegen Insektenfraß zu wehren. Es ließe sich also folgern, dass Insekten, deren ABC-Transporter außer Kraft gesetzt worden sind, um in den Schädlingen Resistenz gegen Bt-Toxine hervorzurufen, empfindlicher gegenüber pflanzeneigenen Giften sein müssten.

Bt-Resistenz kann bekämpft werden, wenn man herausfindet, welche pflanzeneigenen Gifte in Bt-resistenten Insekten wirksamer sind. Diese Gifte könnten dann zum Einsatz kommen, um gezielt gegen Bt-resistente Schädlinge vorzugehen. Diese Strategie stellt ein evolutionäres Dilemma für die Insekten dar: Sollen sie sich gegen Bt-Toxine wehren, indem sie ihre ABC-Transporter außer Kraft setzen, oder sollen sie sich vor Pflanzengiften schützen und ihre ABC-Transporter erhalten? Das Ziel der Forschung ist es, den Schwerpunkt von der Bt-Resistenz zugunsten dieser zweiten Strategie zu verlagern, die Insekten also dazu zu bringen, ihre ABC-Transporter zum Schutz gegen Pflanzengifte zu bewahren. Damit könnten auch die Vorteile von Bt-Pflanzen in einer nachhaltigen Landwirtschaft erhalten bleiben.

Literaturhinweise

1.

Khan, S. A.; Reichelt, M.; Heckel, D. G.

Functional analysis of the ABCs of eye color in Helicoverpa armigera with CRISPR/Cas9-induced mutations
Scientific Reports 7, art. 40025 (2017)
2.

Bretschneider, A.; Heckel, D. G.; Pauchet, Y. 

Three toxins, two receptors, one mechanism: Mode of action of Cry1A toxins from Bacillus thuringiensis in Heliothis virescens

Insect Biochemistry and Molecular Biology 76, 109-117 (2016)

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