
Ein Blick in eine symbiotische Konversation
Wie wir die molekulare Logik der Kommunikation zwischen Arten erforschen können
In der Projektgruppe Symbiotische Systembiologie (SysBioSym) untersuchen wir, wie Stoffwechsel- und Regulationsmechanismen Wirte und Symbionten – unabhängig davon, ob es sich um Mutualisten oder Pathogene handelt – miteinander verbinden und wie sie die Struktur und Funktion symbiotischer Gemeinschaften prägen. Mithilfe der Kombination verschiedener Datenebenen mit computergestützten Modellen und vergleichender Genomik möchte die SysBioSym-Gruppe die molekularen „Regeln” aufdecken, die diese Interaktionen robust, anpassungsfähig und evolutionär erfolgreich machen.
Ein zentraler Schwerpunkt der Gruppe ist die Nährstoffsymbiose zwischen Insekten und Bakterien, insbesondere bei Coleoptera (in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen aus der Abteilung und dem BF2i-Labor der INSA-Lyon). Wir untersuchen, wie metabolische Zusammenarbeit zur Anpassung an den Wirt und zur ökologischen Spezialisierung beiträgt. Anstatt bekannte Modelle einfach zu erweitern, wollen wir konservierte gegenüber stammespezifischen Stoffwechselstrategien identifizieren. Zudem wollen wir aufzeigen, wie biologische Verbindungen zwischen Symbiose-Partnern gemeinsam koordiniert werden, um in unterschiedlichen Umgebungen zu gedeihen. Unsere Arbeit ergänzt die laufenden Forschungen in der Abteilung, indem sie ein systemisches Verständnis dieser symbiotischen Netzwerke vermittelt.
Hypothetisch gesprochen
Ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit ist die Entschlüsselung der verborgenen Funktionen hypothetischer Proteine, die zwar noch nicht charakterisiert sind, aber dennoch eine wesentliche Rolle in größeren Stoffwechselprozessen spielen. Dazu kombinieren wir vergleichende Modellierung, Domänenannotation und Stoffwechselkontextanalyse mit modernsten Tools zur Vorhersage von Proteinstrukturen (z. B. AlphaFold2, ESMFold). Dieser mehrschichtige Ansatz ermöglicht es uns, die Funktion von Proteinen mit ihren metabolischen Rollen in Verbindung zu bringen und bisher uncharakterisierte Komponenten des symbiotischen Stoffwechsels zu beleuchten.
Unerwünschte schädliche Gesprächspartner
Zusammenarbeit mit Lucas Gentil Azevedo, Pablo Ivan Pereira Ramos (Fiocruz IGM); Andréa Ávila, Sheila Nardelli, Letusa Albrecht, Fabíola Holetz, Helisson Faoro (Fiocruz ICC)
Wir untersuchen auch, wie sich pathogene molekulare Mechanismen während einer Infektion anpassen und neu vernetzen. Dabei konzentrieren wir uns auf die dynamische Wechselwirkung zwischen Pathogenen (ob Protozoenparasiten oder Bakterien) und ihren Wirten. In seiner Doktorarbeit befasst sich Lucas beispielsweise mit der vergleichenden Rekonstruktion des Stoffwechselnetzwerks von Leishmania braziliensis, wobei er den Stoffwechsel des Parasiten und des menschlichen Wirts integriert. Mithilfe der Kombination von Enzymvorhersagen, Omics-Daten und Flussbilanzanalysen zielt diese Arbeit darauf ab, die Neukonfiguration der Stoffwechselwege in Parasiten- und Wirtszellen nach einen Infektion zu entschlüsseln. Diese Netzwerke fördern nicht nur das mechanistische Verständnis der Trypanosomatiden-Biologie, sondern bieten auch einen übertragbaren Rahmen für die Untersuchung der metabolischen Anpassung in verschiedenen Mikroben-Wirt-Systemen. Die daraus resultierenden Modelle können metabolische Schwachstellen aufzeigen und Ziele für die Arzneimittelentwicklung benennen. Dabei bauen sie auf Ansätzen auf, die zuvor bei Toxoplasma gondii angewendet wurden (siehe Abbildung unten, z. B. PMID:33408226).
Wenn Moleküle dieselbe Sprache sprechen
Kollaboration mit Nahim A. de Souza, Renata Wassermann (USP); Marie-France Sagot (Inria)
In der Biologie liegt die Bedeutung oft nicht in einzelnen Genen oder Molekülen, sondern in ihrer Verbindung und Interaktion untereinander – ähnlich wie Wörter nur durch Grammatik Sinn ergeben. In seiner Doktorarbeit verwendet Nahim ontologiebasierte Ansätze, um die verborgene Struktur biologischer Informationen zu beschreiben: die Regeln und Beziehungen, die Stoffwechselmodelle systemübergreifend verständlich machen. So wie die Grammatik es Sprechern verschiedener Sprachen ermöglicht, Ideen zu übersetzen, ohne dass dabei die Bedeutung verloren geht, geben Ontologien biologischen Daten eine gemeinsame „Semantik“. Dadurch ist es möglich, Erkenntnisse über Stoffwechsel, Regulation oder Symbiose über Arten und Disziplinen hinweg zu vergleichen und zu verstehen. Durch die Untersuchung dieser „Grammatik des Wissens“ wollen wir die Biologie interoperabler machen, sodass Moleküle, Modelle und Datensätze schlussendlich dieselbe Sprache sprechen.



