Verdauungsenzym in Maikäferlarven aktiviert Abwehrmechanismus des Löwenzahns

Die Abspaltung von Zucker von einem Abwehrstoff in Löwenzahnwurzeln fördert das Larvenwachstum, während die Engerlinge dadurch gleichzeitig vom Fressen abgeschreckt werden.

25. Oktober 2021

Eine neue Studie in der Zeitschrift eLife zeigt erstmals, dass der Abbau eines Pflanzenabwehrstoffs durch ein Verdauungsenzym im Insektendarm die Vorliebe eines Insekts für bestimmte Futterpflanzen beeinflussen kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, der Universität Bern (Schweiz) und des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena untersuchten dieses Phänomen bei Larven des Maikäfers (Melolontha melolontha) und ihrer Futterpflanze Löwenzahn (Taraxacum officinale). Die neuen Erkenntnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Interaktion zwischen Pflanzen und ihren Konsumenten bei (eLife, Oktober 2021, doi: 10.7554/eLife.68642).

Bei der Bekämpfung von Fraßfeinden nutzen Pflanzen häufig einen chemischen Trick: Sie binden eine Zuckerkomponente an den Abwehrstoff und machen ihn so unschädlich. Dadurch wird verhindert, dass sich die Pflanze selbst vergiftet. Erst wenn der Pflanzenfresser an der Pflanze knabbert, wird der Zucker entfernt. Dadurch wird die Verbindung giftig oder abschreckend für den Angreifer. „Seltsamerweise entfernen einige Insekten bei der Verdauung auch selbst den Zuckeranteil der pflanzlichen Abwehrstoffe“, berichtet die Biologin Meret Huber von der Universität Münster, die dieses Projekt in der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut begann. „Welche Folgen dies für die Insekten und vor allem für ihr Verhalten hat, ist noch nicht genau bekannt.“

Ein Beispiel für eine zuckerhaltige Abwehrverbindung ist eine Substanz namens Taraxinsäure-β-D-Glucopyranosylester (TA-G), die der Löwenzahn in besonders hohen Konzentrationen in seinen Wurzeln anreichert. Dieser wichtige Abwehrstoff des Löwenzahns schreckt die Larve des Maikäfers vom Fressen ab.

Das Team um Meret Huber und Matthias Erb (Universität Bern) zeigte, dass die pH-Bedingungen im Darm des Maikäfers die Aktivität von Löwenzahnenzymen, die sonst den Zucker vom Abwehrstoff entfernen würden, hemmen. Stattdessen entfernt die Maikäferlarve den Zucker selbst, und zwar mithilfe eines eigenen zuckerspaltenden Enzyms im Darm.

Indem die Forschenden gleichzeitig die Produktion von TA-G und die Präsenz des Insektenenzyms durch biotechnologische Verfahren manipulierten, zeigten sie, dass das Enzym aus dem Insektendarm das Wachstum der Larve auf Löwenzahnpflanzen, die den Abwehrstoff enthalten, fördert. Gleichzeitig führt die Abspaltung des Zuckers vom Pflanzengift aber auch zu einer Vermeidung von TA-G-haltigen Löwenzahnpflanzen. „Somit konnten wir zum ersten Mal nachweisen, dass der Abbau von Pflanzenabwehrstoffen durch Verdauungsenzyme von Insekten die Wahl der Futterpflanze beeinflusst“, unterstreicht Meret Huber. „Diese Erkenntnis ist wichtig, da die Wahl der Wirtspflanze von zentraler Bedeutung für die Verteilung pflanzenfressender Insekten ist und somit großen Einfluss auf den verursachten Schaden hat.“

Warum die Abspaltung des Zuckers das Wachstum der Maikäferlarve erhöht, aber gleichzeitig die Larve abschreckt, ist eine der offenen Fragen. Möglicherweise hilft dieses Vermeidungsverhalten der Larve, die Seitenwurzeln der Pflanze zu finden. Diese haben eine niedrigere TA-G-Konzentration, dafür aber einen höheren Nährstoffgehalt als die Hauptwurzeln, die aber wiederum für das Überleben der Pflanze wichtig sind.

Für ihre Studien setzten die Forschenden unterschiedliche Methoden der chemischen Analytik und der Biotechnologie ein. Außerdem führten sie sogenannte Bioassays durch, um die Auswirkungen von TA-G auf die Wahl der Futterpflanzen durch die Larven zu untersuchen. Die Ergebnisse sollen helfen, das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und ihren Konsumenten zu verbessern. Zukünftige Studien in verschiedenen Systemen könnten es ermöglichen, Medikamente oder Schädlingsbekämpfungsmittel zu entwickeln, die nur in Anwesenheit bestimmter art- oder umweltspezifischer Bedingungen aktiviert werden.

Die Arbeit erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, durch den Schweizerischen Nationalfond sowie durch das siebte Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission.

Basierend auf einer Pressemeldung der Universität Münster (WWU)

Zur Redakteursansicht